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Die Behandlung der Klasse II – Teil I

Die Behandlung der Klasse II – Teil I

In der dreiteiligen Serie berichte ich über die Behandlung der Klasse II. Wir starten mit Teil 1

Klasse II Problematik erkennen und unterscheiden

Die Klasse II ist eine der verbreitetsten Kieferanomalien in Mitteleuropa. Das Gute an ihr ist, dass sie recht gut behandelt werden kann – insbesondere beiHeranwachsenden.
Grundsätzlich muss man die Klasse II unterteilen in dentale und skelettale Klasse II, wobei meistens beides zugleich auftritt.

Abb. 1. WITS (rot)

Skelettale Klasse II

Die skelettale Klasse II wird am FRS definiert, bei uns im Betrachten des ANBWinkels im Vergleich zum individuellen ANB-Winkel oder des WITS-Wertes. Das funktioniert so: Der gemessene ANB ist ein Wert, der alleine relativ wenig Aussagekraft hat. Er soll zwischen 0 und 4 sein. Laut Definition besteht dann eine skelettale Klasse I. Dieser gemessene Wert kann aber täuschen, da er für ideale Kieferbasenverhältnisse gedacht ist. Das Problematische ist der Vergleichspunkt N, der vom Geschehen sehr weit weg ist.

Aus diesem Grund ziehen wir gern den individuellen ANB nach Witt und Panagiotidis (1977) hinzu. Dieser heißt zwar individualisierter ANB, man kann es sich aber leicht machen, indem man sich vorstellt, dass der Wert als „idealer ANBWinkel“ oder „Soll-Wert“ bezeichnet wird. Dieser Wert wird mit dem gemessenen ANB verglichen.

Drei Beispiele:

  1. Ist der gemessene ANB bei 6° und der individuelle ANB bei 2°, besteht eine skelettale Klasse II. Diese Klasse II entspricht dann etwa 4°, da letztendlich der gemessene ANB und der individuelle ANB (= Sollwert) identisch sein sollen (+/- 1°).

Hinweis:

Im Wachstum schafft z. B. eine Behandlung mit einer Vorschubdoppelplatte ca. 1,5° bis 2° Reduktion des ANB pro Jahr. Das Beispiel 1 bedeutet also mit Sicherheit 1,5 oder vielleicht sogar 2 Jahre VDP Behandlung.

  1. Der gemessene ANB-Winkel ist wieder 6°, aber der individuelle ANB ist ebenfalls 6°. In diesem Beispiel besteht keine skelettale Klasse II, sondern eine skelettale Klasse I. Dieser beschriebene Umstand kommt sogar recht häufig vor und erklärt, warum häufiger mal ein relativ hoher ANB mit einer klinisch nicht erkennbaren Klasse II einhergeht.
  2. Gemessener ANB 4°, individueller ANB 0°. In diesem Beispiel würde man erst einmal vermuten, dass eine skelettale Klasse I vorliegt. Wenn man aber mit dem individuellen ANB vergleicht, stellt man fest, dass eine doch erhebliche skelettale Klasse II vorliegt (in diesem Fall um 4°). Klinisch könnte dieser Fall dem ersten Beispiel entsprechen.

Etwas anschaulicher ist der WITS Wert (Abb. 1). Hierbei wird das Lot vom A Punkt und B Punkt auf die Okklusionsebene gefällt. Es entsteht ein Millimeter-Wert des Abstands der Schnittpunkte. Eine skelettale Klasse I liegt im Bereich von ca. 0-2 mm.

Sollte hier z. B. 6 mm herauskommen, so kann man auch dem Patienten recht gut vermitteln, dass die Kieferbasen um ca. 4-6 mm falsch zueinander stehen. Einer der großen Nachteile dieses Wertes ist die metrische Angabe. So ist er z. B. nur anwendbar, wenn ein digitales Röntgenbild zuvor kalibriert wurde (Abb. 2). Auch ist es wichtig, immer 1:1 Ausdrucke für eine Durchzeichnung zu benutzen.

Abb. 2. Kalibrierung: Mitscannen einer Scala, ansonsten keine metrischen Werte interpretierbar

Dentale Klasse II

Eine dentale Klasse II ist im Endeffekt nichts anderes als die Angle-Klasse II. Angle hat die Klassen noch in Klasse II/1 (protru-dierte Oberkieferfront, Abb. 3) und Klasse II/2 (retrudierte Oberkieferfront) unterteilt. Dieser Wert sagt nichts über die skelettale Klasse aus, sondern nur über die Molarenokklusion. Natürlich kommt es oft vor, dass eine skelettale Klasse II gleichzeitig mit einer Angle-Klasse II vorliegt. Dies ist auch relativ normal, solange die Stützzone im Unterkiefer noch intakt ist. Hier erwartet man durch den Leewayspace sogar eine leichte Angle-Klasse II Verzahnung, da nach Ausfallen der unteren  Milchmolaren die 6-Jahr-Molaren ein wenig nach mesial rücken.

Die dentale Klasse II ohne eine skelettale Klasse II (Abb. 4 und 5) kann also z.B. durch den Leewayspace entstehen. Es ist aber nicht klar, in welchem Kiefer die Zähne falsch stehen, z. B. kann das auch eine Mesialwanderung der oberen 6er (z. B.  Stützzoneneinbruch) sein. Man benötigt dafür eine Modellanalyse. Nach unserem Verständnis sollten dentale Abweichungen möglichst dental korrigiert werden  und skelettale Abweichungen skelettal. In den nächsten Ausgaben mache ich abschnittweise Vorschläge für die Behandlung.

Abb. 5. Trotz 9 mm Stufe keine echte skelettale Klasse II: OK Front protrudiert, UK Front retrudiert ➝ dentale Korrektur erforderlich.
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